Neubau von leistbaren Wohnungen scheitert oft an Einsprüchen von AnrainerInnen

Leistbares Wohnen geistert beinahe täglich als Handlungsaufforderung an unsere PolitikerInnen durch die Medien, wir lesen von jungen und alten Menschen, von AlleinerzieherInnen, die sich das Wohnen nicht mehr leisten können.

Gleichzeitig finden immer mehr Menschen keine Arbeit oder jedenfalls keine Arbeit, von der sie leben und eine Wohnung bezahlen oder gar ein Eigenheim bauen können.

Wir werden keine einfachen Lösungen für diese existenziellen Herausforderungen finden, denn es gibt viele Ursachen. Eine der Ursachen beschreibe ich nachfolgend an einem Beispiel aus dem echten Leben.

Sicherung unserer Zukunft durch Raumordnung

Allmählich entwickelt sich auch bei uns ein Bewusstsein dafür, dass wir mit unseren Bodenressourcen und mit unserer Umwelt generell sorgsamer umgehen müssen, wenn unsere Kinder und Enkelkinder auch noch ein lebenswertes Land mit gesicherter Ernährungsbasis vorfinden sollen.

Immer mehr Gemeinden genehmigen daher Wohnungsbau nur mehr in ausgewiesenen, möglichst zusammenhängenden und räumlich gut genutzten Wohngebieten.

Österreich ist eines der am stärksten zersiedelten Länder Europas mit dem höchsten Bodenverbrauch Europas. Und diese Zersiedelung kostet auch noch für viele Generationen nach uns sehr viel Geld:

  • Infrastrukturkosten wie Straßenbau und -erhaltung, Kanalbau und -erhaltung, Strom- und Gasleitungen
  • Schulbusse und private Schülertransporte
  • Treibstoff für Verkehrsmittel
  • Maßnahmen für die Verbesserung verkehrsbedingter Luftverunreinigungen (Schüler, Pendler, Einkaufsfahrten)
  • Gesundheitskosten für verkehrsbedingte Erkrankungen
  • Fehlende Familienzeit durch mehr Pendeln zur Arbeit und zum Einkaufen
  • Durch Bodenversiegelung und Verkehr verursachte Klimaerwärmung und Umweltkatastrophen

Wie es besser geht, zeigt Südtirol

Wie funktioniert die Raumplanung in Südtirol? Die Salzburger Nachrichten berichten über eine Studienreise nach Südtirol:
"... Nicht die Grundbesitzer bitten die Gemeinde, Grünland in Bauland umzuwidmen. Sondern Menschen, die eine Wohnung bauen wollen, kommen zum Bürgermeister. Aber erst, nachdem sie sich zu einer Genossenschaft mit rund einem Dutzend Familien zusammengeschlossen haben ..."

Um die Lebensqualität der Bevölkerung zu erhöhen und nicht-erneuerbare Ressourcen zu schonen, wird besonders auf Nachhaltigkeit, Umweltschutz und territoriale Zusammenhalt geachtet:

  • Besonderes Augenmerk auf den Flächenverbrauch
  • Die Effekte des Klimawandels und die regionale und urbane Resilienz
  • Das Verhältnis zwischen Stadt und Land
  • Management der Mobilität
  • Planung der nötigen Infrastrukturnetze
  • Wahrung der lokalen Besonderheiten und Schutz der Biodiversität

In Österreich: Besitzende gegen (noch?) nicht Besitzende

In einer Tiroler Gemeinde möchte eine kirchliche Einrichtung günstige Wohnungen mit Mieten von maximal fünf Euro pro Quadratmeter bauen. Diese Wohnungen könnten auch GeringverdienerInnen bezahlen, Jungfamilien, Alleinstehende, SeniorInnen.

Solche Wohnungen können aus der Wohnbauförderung gefördert werden, sozialer Wohnungsbau also, eine gesellschaftlich und volkswirtschaftlich wünschenswerte Investition in die Zukunft unserer Menschen und unseres Landes.

Das Luftbild des geplanten Wohngebiets könnte an der Universität für Bodenkultur als Lehrbeispiel für verfehlte Raumplanung dienen: Im Ortsgebiet große Flächen unverbaut, dafür die Siedlungen zerstreut in der ganzen Landschaft mit entsprechend hohen Infrastrukturkosten.

Baugrundstück im Ortsteil Unterengere, Gemeinde Zams, Tirol

Baugrundstück im Ortsteil Unterengere, Gemeinde Zams, Tirol (Datenquelle: basemap.at)

Eine größere Anzahl von Anrainern wehrt sich gegen den Bau der geplanten Wohnanlage, weil sie Nachteile für sich befürchten: Weniger schöne Aussicht, eventuell nicht standesgemäße wohlsituierte Nachbarn, mehr Verkehr durch mehr neue BewohnerInnen – deutlich mehr Verkehr weiter weg in den zersiedelten Landschaftsteilen ist ihnen egal – und insgesamt dadurch Entwertung ihrer Grundstücke und Häuser.

Sie bedenken dabei nicht, dass sie möglicherweise selbst einmal zu den nicht Besitzenden gehören könnten: Ein Unfall oder eine schwere und kostenintensive Krankheit, schon ist das schöne Haus weg. Dann wäre eine leistbare Wohnung im Ort eventuell doch sehr angenehm.

Auch kann heute niemand sagen, ob die Kinder und Enkelkinder noch ein sicheres und ausreichend hohes Einkommen haben werden, um sich ein Haus bauen zu können. Sie wären dann vielleicht ebenfalls froh, könnten sie im Ort leistbare Wohnungen finden.

In Kern geht es also darum, dass vielen Menschen der Wert der eigenen Immobilie wichtiger erscheint als ein menschenwürdiges und leistbares Leben von zukünftigen NachbarInnen, Menschen die man ohnehin nicht kennt und eigentlich auch nicht kennenlernen möchte.

Medien sind manchmal Teil des Problems

Viele JournalistInnen berufen sich immer noch auf ihre Professionalität und Objektivität. Also darf man von professionellen SchreiberInnen Sensibilität für sprachliche Feinheiten erwarten. Sie sollten erkennen, welche Gefühle ein Text bei LeserInnen unbewusst erzeugt, welche Haltung zum Thema eines Textes unbewusst suggeriert wird.

Zu ihrem Bericht vom 10.5.2016 über das geplante Bauprojekt veröffentlichte eine Zeitung ein Foto mit rot eingezeichnetem Bauplatz. Was sagen Sie zu folgender Bildbeschreibung?

Auf diesem rund 4000 Quadratmeter großen Grund (rot) will die Diözese einen Komplex mit 5-Euro-Wohnungen errichten. Anrainer protestieren.

Ganz „normal“, oder? Eine sachliche Information, dass auf dem rot markierten Bereich Wohnungen errichtet werden sollen und Anrainer das nicht wollen.

Nun lesen Sie bitte die Bildunterschrift, wie sie tatsächlich publiziert wurde. Was fühlen Sie beim Lesen der Worte „mitten im Wohngebiet“?

Auf diesem rund 4000 Quadratmeter großen Grund (rot) will die Diözese mitten im Wohngebiet einen Komplex mit 5-Euro-Wohnungen errichten. Anrainer protestieren.

Ich habe den Text mehreren Personen zum Lesen gegeben, die Reaktionen waren identisch mit meiner eigenen: Unwillkürlich überlegt man, warum das ausgerechnet in einem Wohngebiet passieren soll. Man meint, einen Gegensatz zwischen Sozialwohnungen und Wohngebiet zu erkennen.

Aber: Wo sonst sollen Wohnungen gebaut werden, wenn nicht in einem Wohngebiet? Und: Sind wir Menschen nicht soziale Wesen? Eventuell doch nicht alle Menschen?

Links

Bildnachweis: © hubertl/wikimedia commons/cc-by-sa-4.0, datenquelle: basemap.at

 

 

Kommentar schreiben


Sicherheitscode
Aktualisieren

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.